Das Herbstforum am 4. September 2021 von der Arbeitsgemeinschaft «Forum Ehe + Familie» (FEF) forderte die Teilnehmenden heraus, sich damit auseinanderzusetzen, wie sie bei Kindern in ihren Kirchen, Gemeinden und Fachorganisationen den Aufbau von stabilen Bindungen und der Identität unterstützen. Denn diese beiden gehören zusammen wie zwei gut gebundene Schuhe, damit man als Mensch stabil unterwegs ist und sich im Leben springend, rennend usw. fortbewegen kann.
FEF-Co-Leiterin Doris Bürki leitete das Referat zum Thema Bindung von Salome Spycher, systemische Familienberaterin, mit dem Bild des Schuhs ein. Der Schuh muss richtig gebunden werden. Ein Einfachknoten hält nicht lange, da muss schon ein Doppelknoten her. Erst eine feste Bindung zu einem Elternteil oder Erwachsenen, erst ein Doppelknoten ermöglicht es dem Kind, auch selbst stabile Bindungen aufzubauen und so getragen zu werden, auch wenn der Weg des Lebens mal holprig wird.
Menschen brauchen Nähe
«Bindung ist für uns wie Wasser für den Fisch», so Salome Spycher. Das Streben nach Nähe durchdringt unser ganzes Leben und ist besonders stark ausgeprägt bei Kindern. Sie suchen instinktiv nach Nähe und Orientierung, ohne dass man das ihnen beibringen muss. Familienformen wie Patchwork-Familien bergen darum besondere Herausforderungen im Bindungsprozess. Die Bindung zum nicht mehr vorhandenen Elternteil ist erschwert. Wichtig ist darum, die Beziehung zu diesem Elternteil zu fördern, auch wenn das gerade bei Trennungen herausfordernd ist. Auch sollte einem bewusst sein, dass der fremde Elternteil für das Kind als Konkurrenz für die bestehende Bindung zum eigenen Elternteil gesehen werden kann. Salome Spycher gab darum zum Abschluss Ratschläge, wie man den Bindungsaufbau positiv unterstützen kann. Man sollte die Nähe bewahren, auch wenn man örtlich distanziert ist, zum Beispiel durch einen Videoanruf. Auch sollte man dem Kind den Aufbau von Bindungsdörfern ermöglichen. Das heisst, dass der Kreis von erwachsenen Bezugspersonen erweitert werden soll.
Gottes Gesetz als Identitätsgrundlage
«Menschliches Verhalten ist gelernt.» Mit dieser Aussage stellte Dr. Jörg Dieterich, Dozent für Sozialpädagogik fest, dass jegliche soziale Identität, sei das Geschlechts- oder Verhaltensidentität, gelernt ist. Doch die Art des Lernens ist entscheidend. Nicht mit äusseren Anreizen soll gearbeitet werden, sondern mit der intrinsischen Motivation. Es muss im Gespräch mit dem Kind reflektiert werden, warum es sich wie verhält. Denn das Kind imitiert in erster Linie das, was der Erwachsene vorlebt. Dieses Nachahmen und auf sich selbst Anwenden definiert die Pädagogik als Lernprozess, welcher fortlaufend Veränderungen nach sich zieht.
Wenn eine Geschlechtsidentität gelernt ist, dann impliziert das auch, dass man das eigene Bild immer wieder verändert. Doch an was oder wem sollen wir uns orientieren in diesem Lernprozess, dieser Veränderung? Die Welt gibt uns die Antwort, dass wir dem grösstmöglichen Glück nachstreben, indem wir uns ständig verbessern. Doch der Psalm 1 schlägt uns einen ganz anderen Weg vor: «Glücklich zu preisen ist, wer nicht dem Rat gottloser Menschen folgt, sondern Verlangen hat nach dem Gesetz des Herrn und darüber nachdenkt Tag und Nacht.» Jörg Dieterich ermutigte mit diesem Vers, der bereits bekannte Menschen wie Dietrich Bonhoeffer als Orientierung gedient hatte, das Gesetz Gottes als Grundlage für die eigene Identität zu nehmen.
Doris Bürki rundete das herausfordernde Referat mit der Feststellung ab: «Denn nur am DU wird ein ICH. Gott selbst ist das Modell, an dem wir unser ICH bilden können.»
Das Forum Ehe + Familie ist eine Arbeitsgemeinschaft der Schweizerischen Evangelischen Allianz, die ihren Auftrag der Vernetzung wahrnimmt, indem sie regelmässig eine Möglichkeit des persönlichen Austauschs zwischen Fachorganisationen und Kirchenvertretern schafft. Das nächste Forum findet am 4. März 2022 statt.